Von der KI-Vision zur Praxis: Warum Europa beim produktiven Einsatz nachziehen muss

Die EU investiert Milliarden in Künstliche Intelligenz – doch Geld allein garantiert keine Innovation. Beim Executive Dinner in München diskutierten Führungskräfte, wie aus ambitionierten KI-Projekten echte Wertschöpfung wird. Ihre Botschaft: Weniger Forschung, mehr Handwerk.

Die Europäische Union hat Künstliche Intelligenz endlich zur Chefsache erklärt. Milliarden fließen in Forschung, neue Strategien werden ausgerufen, politische Bekenntnisse abgegeben. Die neue AI-First-Doktrin ist begrüßenswert – kommt allerdings nicht ohne fundamentale Herausforderungen aus. Das zeigte sich auch beim jüngsten AI-First Executive Series Dinner in München, wo Entscheider aus Industrie, Finanzwesen und Technologie ungeschönt über die Hürden der KI-Integration sprachen.

Das Kernproblem: Vom Labor in die Praxis

Nach Einschätzung von Sebastian Seutter, Managing Director DACH bei HTEC, sind es weder die fehlende Entschlossenheit noch die lange ausgebliebenen Investitionen, die sich jetzt als Stolperstein erweisen. Vielmehr gehe es ganz konkret um die richtige Verwendung des Geldes und das Vorantreiben von KI-Projekten und -Initiativen.

Die Diagnose trifft einen wunden Punkt: In vielen Unternehmen stapeln sich ambitionierte Konzepte und vielversprechende Projektideen, während die produktive Anwendung auf sich warten lässt. Es fehlt also weniger an den technischen Grundlagen als an der Fähigkeit, sie in funktionierende Prozesse, Produkte und Entscheidungen zu übersetzen.

Der Grund liegt auf der Hand: Die EU hat KI viel zu lange als reine Forschungsdisziplin behandelt. Wer praktische Werkzeuge für den Alltag entwickeln will, die einen echten Mehrwert für die Wirtschaft haben, muss aus Experimenten skalierbare Lösungen machen.

Konsens beim Dinner: Umsetzung schlägt Budget

Diese Einschätzung teilten auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Münchner Events. Die versammelten Führungspersönlichkeiten diskutierten konkrete Strategien, um KI skalierbar zu machen. Ihre Erfahrungen zeigen: Entscheidend ist nicht die Größe des Budgets für KI, sondern die Fähigkeit, aus Ambition und operativer Exzellenz messbare Ergebnisse zu schaffen.

Kleine Schritte in sicherheitskritischen Branchen

Jörg Grotendorst, Advisor Automotive Industry bei HTEC, betonte auf dem Treffen, dass eine erfolgreiche KI-Integration in sicherheitskritischen Branchen einfacher gelingt, wenn in kleinen, kontrollierten Umgebungen begonnen und Schritt für Schritt skaliert wird.

Susan Wegner, Head of Group AI and Data der Allianz, unterstrich eine wichtige Perspektive: Vertrauen und Governance seien nicht Hemmschwellen, sondern Enabler für Produktivität – vor allem, wenn Fachbereiche und Technologie-Teams gemeinsam Verantwortung tragen.

„AI-First“ bedeutet strukturellen Wandel

Was bedeutet AI-First konkret? Laut den Diskussionen müsse dies bedeuten, das richtige Fundament für eine Zukunft zu legen, in der Künstliche Intelligenz effizient genau dort funktioniert, wo es darauf ankommt. Es bedeute auch, Geschäftsmodelle konsequent aus der Logik datengetriebener Systeme heraus zu denken.

Das erfordert den Mut, alte Routinen infrage zu stellen und Prozesse vollständig neu zu denken. In der Praxis investieren allerdings immer noch viele Unternehmen und Organisationen in isolierte KI-Projekte, statt ihre Strukturen so zu verändern, dass KI überhaupt Wirkung entfalten kann.

Was jetzt notwendig ist

Wer heute Milliarden in Forschung steckt, muss nach Ansicht der Experten auch die Voraussetzungen für Integration schaffen: offene Schnittstellen, gemeinsame Datenräume, Teams, die Technologie verstehen und nutzen dürfen. Fortschritt entsteht nicht nur in Laboren, sondern in erster Linie direkt vor Ort – in Werkshallen, Krankenhäusern und auch mittelständischen Unternehmen.

Europas Chance auf digitale Souveränität

Deutschland und die EU haben die Chance, beim produktiven Einsatz von KI ein Gegengewicht zu den Technologiemächten dieser Welt zu entwickeln und damit ihre digitale Souveränität zu stärken. Doch dafür braucht es weniger Ankündigungen und mehr Umsetzungskompetenz.

In vielen Partnerschaften und gemeinsamen Programmen sieht HTEC, wie Unternehmen genau diesen Schritt meistern und KI als Infrastruktur verstehen: integriert in Produkte, Prozesse und Entscheidungen. Das sei der Kern des AI-First-Ansatzes, den das Unternehmen konsequent verfolge – nicht als Schlagwort, sondern als Arbeitsprinzip.

Vom Hype zum Handwerk

Was jetzt auch auf EU-Ebene notwendig sei, ist ein nüchterner, handwerklicher Umgang mit KI. Den vorherrschenden Hype zu überwinden, heißt, die Technologie überall dort einzusetzen, wo sie messbaren Mehrwert schafft – und die Menschen mitzunehmen, die mit ihr arbeiten.

Nur wenn Technologie, Führung und Kompetenzaufbau zusammengedacht werden, wird KI zu einem echten Produktivitätsmotor für Unternehmen und die EU. Die Milliarden sind da – jetzt gilt es zu handeln.

Foto: HTEC

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